Referat von Rainer Dörrenbecher beim Landesvorstand DKP Saarland am 5.12.2025
Im „Deutschland-Trend“ der ARD vom 6.11.25 sehen fast 1/3 der Befragten die Zuwanderung als größtes Problem, 28 % sehen die wirtschaftliche Lage, 18 % sehen die soziale Ungerechtigkeit und 14 % sehen den Klimawandel als größtes Problem. Die Zufriedenheit mit der Regierung liegt in den letzten 3 Monaten zwischen 20 und 22%. Fast ¾ der Befragten sehen die „gesellschaftliche Stabilität“ gefährdet und die Hälfte fühlt sich im öffentlichen Raum sicher, bzw. umgekehrt unsicher.
Das sind Umfragewerte, die annähernd das Massenbewusstsein widerspiegeln. Dieses Bild muss nicht unbedingt die Realität zeigen.
Tatsache ist, diese Regierung und die Regierungsparteien sind äußerst nervös, aus vordergründigen Details und tiefer liegenden Ursachen. Marxistische Gesellschaftswissenschaftler*innen und Politiker*innen sprechen von einer multiplen Krise des Kapitalismus. Das soll jetzt nicht detailliert dargestellt werden.
Ich will aber erinnern an die Definition des gegenwärtigen Imperialismus als „globalisierten Neoliberalismus“ im DKP-Parteiprogramm von 2006. Im gleichen Jahr brach in den USA die Finanzkrise aus, die sich zu einer globalen Wirtschaftskrise entwickelte. Der damalige Neoliberalismus war in der Krise, die neoliberalen Ökonomen gingen in Deckung. Notwendig war eine Einschränkung der Möglichkeiten der Finanzinstitute und Banken, soweit sie die Stabilität gefährdeten. Es folgte eine kurze Phase des Neokeynesianismus und auf dieser Grundlage eine Wiederdurchsetzung eines angepassten Neoliberalismus.
Politisch-ökonomisch betrachtet haben wir es seit dem Beginn der 2000er Jahre mit neoliberalen Regierungen zu tun, in allen entwickelten kapitalistischen Ländern mit unterschiedlichen Regierungsparteien.
Eine zweite gravierende Tendenz begann sich ebenfalls in diesem Zeitraum zu verstärken und schließlich durchzusetzen. In der zweiten Hälfte der 2000er Jahre hatte die NATO alle russischen Vorschläge für ein zwischenstaatliches Sicherheitssystem in Europa ignoriert. Die geostrategischen Interessen der USA setzten sich durch, der NATO-Militär-Industrie-Komplex begann sich in der Politik ebenfalls durchzusetzen. Auch hier keine Details.
Eine dritte gravierende Veränderung ist die Entwicklung Chinas und damit verbunden die Herausbildung eines internationalen Ausbruchs aus dem US-amerikanisch dominierten imperialistischen Wirtschafts- und Finanzsystems, Stichwort BRICS.
Mehrere Ursachen hat die gegenwärtige „Migrationskrise“, u.a. die angewachsene Armut im globalen Süden, die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Ethnien um Land und Rohstoffe, die interessenbedingten Einmischungen unterschiedlicher Staaten.
Herausgebildet hat sich eine weitere Herausforderung für die Regierungen des US-basierten Imperialismus, der Widerspruch zwischen den Anforderungen des internationalen Finanzkapitals und der Notwendigkeit, eine Deindustrialisierung der National-Staaten zu verhindern und eine gewisse soziale Stabilität zu sichern – vor dem Hintergrund, dass dem Reformismus als gesellschaftspolitische Konzeption die ökonomische Basis entzogen ist.
Und da wären noch die Herausforderungen des Klimawandels und der Notwendigkeit einer Transformation der Produktivkräfte und die Veränderungen der Produktivkräfte durch „Künstliche Intelligenz“ u. weiteres.
»Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, dass die Regierenden der wichtigsten kapitalistischen Länder nicht in der Lage sind, die vielfältigen Krisen im Interesse der Menschen zu lösen. Diese Probleme erscheinen oftmals als vom Einzelnen „selbstverschuldet“, im Grunde liegt ihre tiefere Ursache aber im Wirken der Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Ordnung. Sie bedingen inzwischen eine Tendenz zur Selbstzerstörung. Wir leben in einer Katastrophenzeit, „in der ein Kollaps der ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Systeme nicht unwahrscheinlich erscheint“ (Sighard Neckel).« (Politische Erklärung des Netzwerk Kommunistische Politik vom Nov. 2024)
So sehe ich die Rahmenbedingungen, in denen die gegenwärtigen Regierungen des transatlantischen Blocks agieren.
Die gegenwärtige Bundesregierung sehe ich als Versuch auf einer rechtskonservativen Grundlage die Herausforderungen dieser multiplen Krise anzugehen. Das dürfte der Hintergrund des „Sondervermögens für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz“ von 500 Mrd. Euro sein. Der Klimaschutz hat sich – wie befürchtet – als Täuschung der Grünen herausgestellt.
Die personelle Zusammensetzung der Regierung in den wichtigen Bereichen widerspiegelt das Programm. Kanzler Merz mit Richtlinienkompetenz, ein stramm rechtskonservativer Neoliberaler, christlich-konservativ und rassistisch und selbstgefälliger Charakter, wie bekannt ehemaliger Deutschland-Chef der Investmentgesellschaft BlackRock. Innenminister Dobrindt, nicht weniger selbstgefällig, weiter rechts orientiert, nationalistisch und extrem migrationsfeindlich.
Wirtschaftsministerin Katharina Reiche, in der Regierung Merkel war sie 7 Jahre Staatssekretärin im Umwelt- und Verkehrsministerium, wechselte dann in die Wirtschaft. Seit Anfang 2020 war sie Vorsitzende des Vorstandes der Westenergie AG, eines der größten regionalen Energiedienstleister Deutschlands. Zudem übernahm sie im Juni desselben Jahres den Vorsitz im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung, wo sie sich mit den strategischen Weichenstellungen für eine klimafreundliche Energiezukunft beschäftigte. Und von 2015 bis 2019 war sie Hauptgeschäftsführerin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Ihre „strategischen Weichenstellungen“ sind die Forderung nach weit über den Bedarf hinausgehender Neubau von Gaskraftwerken und das Ausbremsen erneuerbarer Energien; sie spielt in der Regierung die Rolle des sozialpolitischen Abbaus entsprechend den Forderungen der Verbände der Unternehmer und des Kapitals.
Nina Warken, Bundesministerin für Gesundheit, Juristin, ehemalige langjährige stellvertretende Bundesvorsitzende der JU und Mitglied des Bundesvorstandes der Frauen Union, ist als Ministerin schon bei der Frauen Union wegen rückwärtsgewandter Vorstellungen angeeckt.
Alois Rainer ist Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, Angehöriger einer gestandenen CSU-Familie. In der Heimatgemeinde beerbte er seinen Vater als Bürgermeister und Metzgermeister. Drei Tage nach seinem Amtsantritt als Minister stellte Foodwatch eine Anfrage zu Lebensmittelkontrollen; eine Woche später machte Alois den Laden dicht. Die Umsetzung der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, seit Sommer 2024 in Kraft, versuchte er zu stoppen. Seine rückwärtsgewandte Landwirtschaftspolitik geht selbst über Vorstellungen des Deutschen Bauernverbands hinaus.
Thorsten Frei, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, ebenfalls Jurist, ehemaliger Staatssekretär in Baden-Württemberg; er ist ein eingeschworener Gegner des individuellen Asylrechts, Frontex-Fan, scharfer Neozionist und antipalästinensischer Hetzer; wenn man tiefer gräbt, findet man bestimmt mehr.
Mit Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin wurde ebenfalls eine christlich reaktionäre Politikerin mit dem zweithöchsten Staatsamt betraut, Vertreterin des Bundespräsidenten.
Und den Fraktionschef der CDU/CSU Bundestagsfraktion Jens Spahn; hinlänglich bekannt seit seiner Zeit als „Gesundheitsminister“ in der letzten Merkel-Regierung. Auch er hat eine interessante Vita. Abitur an der Bischöflichen-Caninsius-Schule in Ahaus, absolvierte das „Young Leader Program“ für aufstrebende Führungskräfte in Politik und Wirtschaft, ein Partnerprojekt der Atlantik-Brücke und des American Council on Germany. Im Juni 2017 nahm Spahn an der Bilderberg-Konferenz in Chantilly teil. Diese könnte dem Militärpolitischen-Industrie-Komplex zugerechnet werden. Seit 2002 Mitglied des Bundestages, damals zweitjüngster Abgeordneter, kümmerte er sich um die Generationengerechtigkeit durch private Rentenversicherung und Gesundheitspolitik mit mehr finanzieller Eigenverantwortung.
Pistorius hat sich in der Vorgängerregierung als erfolgreicher Vertreter des Militär-Industrie-Komplex, Aufrüstungsminister und aggressiv antirussischer Politiker erwiesen.
Lars Klingbeil, politisch neoliberal, hat sich in der SPD durchgesetzt, auch mit Einschränkungen und gegen Widerstände der Sozial-Reformisten um Bärbel Bas und einigen in der Fraktion. Aber er ist Parteivorsitzender und Finanzminister. Seine Finanz- und Steuerpolitik orientiert sich an den Bedürfnissen des MIK, des Finanzkapitals und der Industrie.
Als Gegenpol wird Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas dargestellt. Das trifft nur eingeschränkt zu. Gerade ihre Position zum Bürgergeld hat zu einer Unterschriftenaktion in der SPD geführt. Das ist interessant, es ist allerdings nicht zu erwarten, dass diese Aktion Auswirkungen hat.
„Das sozialdemokratische Konzept des „Dritten Weges“ ist in Europa gescheitert, weil es dem Neoliberalismus nichts entgegengesetzt, sondern diesen befördert hat. … Obwohl heute die Arbeitsproduktivität so stark wie nie zuvor zunimmt, wird der gesellschaftliche Reichtum immer mehr dem Verteilungskampf entzogen. Das Transnationale Kapital tendiert dazu, dem Gemeinwohl dienende Investitionen in die Gesellschaft, welche die Profitmaximierung beinträchtigen, zu bekämpfen, weil sie als Entzug von benötigten Ressourcen für den Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt betrachtet werden. … Damit wird aber auch dem Reformismus die ökonomische Basis entzogen. Die SPD ist von einer tiefen Krise erfasst und zu einer neoliberalen Partei geworden.“ (DKP-Partei-Programm 2006)
Auch die Saar-SPD steckt in dieser neoliberalen Orientierung fest. Das ist der politische Hintergrund für die gesundheitsökonomischen Vorschläge der Landesregierung. Wirtschaftlichkeit geht vor Gesundheitsversorgung. Profit geht vor.
Der Sozialreformismus ist allerdings nicht tot, das zeigt sich auch aktuell. Auch hier bringt der Kapitalismus immer wieder Personen und Konzeptionen hervor. Der Unterschied ist, das Kapital lacht darüber und macht massiven propagandistischen Druck. Selbst Ralf Reinstädtler, ehemals IG-Metall Bevollmächtigter in Homburg und Linkspartei, jetzt geschäftsführendes Vorstandsmitglied, geht in der Sbr.Ztg.-Gesprächsrunde in die Knie. Bemerkenswert ist, die DGB Vorsitzende Yasmin Fahimi hat die Äußerung der Arbeits- und Sozialministerin mit den Arbeitgebern als sozialpolitischen Gegner unterstützt. Für uns sollten solche Zeichen Ansätze für gemeinsames Handeln sein.
Die Milliarden, die investiert werden sollen, werden also weniger in öffentliche Infrastruktur, sondern mehr in militärisch nutzbare Infrastruktur gesteckt. Stellenabbau, fehlende Investitionen und Unterfinanzierung führen weiterhin zu maroden Schulen, fehlenden Kita-Plätzen, unpünktlichem ÖPNV, Wohnungsmangel und chronisch überlastetem Personal im öffentlichen Dienst.
Mit viel medialem Aufwand fanden der Auto- und später der Stahlgipfel statt. Unverständlich ist, wie möglicherweise aus wahltaktischen Gesichtspunkten, die Politik am Verbrenner festhält, während die Autoindustrie auf klare Rahmenbedingungen und Subventionen für die Elektromobilität fordert. Beim Stahlgipfel wurde den von den Stahlkonzernen gestellten Forderungen entsprochen, die auch von der IG-Metall unterstützt wurden. Eigenständige, zusätzliche Forderungen für die Beschäftigten waren nicht eingebracht worden. In den Medien konnte man lediglich von Anke Rehlinger gelesen, dass die Orientierung auf Grünen Stahl bekräftigt wurde.
Das sozialreformerische Potential kann sich in dieser Regierung zu Wort melden, hat aber keinen wirklichen Einfluss. Und außer Erklärungen gibt es von den Gewerkschaften auch keinerlei Druck und ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Der Neoliberalismus ist politisch-ökonomisch nicht in einer Position der Stärke – die Arbeiterbewegung und die sozial-ökologische Bewegung sind eindeutig in einer Position der Schwäche.
Am 3. Dezember veröffentlichte der Rheinische Post Medienkonzern, also unsere Sbr. Ztg., einen Gastbeitrag von Boris Rhein, hessischer Ministerpräsident. Der Beitrag ist das Regierungs-Programm der CDU/CSU, neoliberaler kriegt das die FDP nicht hin.
Wer ist Boris Rhein? Die Biographie ist geradlinig. Als Mitglied der Jungen Union hatte er schon mal festgestellt, Michael Friedmann sei eine Belastung für die CDU und er solle austreten. Friedmann hatte sich damals mit dem rechten Parteiflügel angelegt. Von Beruf Jurist war er oder ist er, Mitglied der CDU-Mittelstandsvereinigung. Er nimmt Stellung zu allen politischen Fragen aus äußerst konservativer und rechter Position, kritisierte Merz wegen des propagandistischen kurzzeitigen Waffenstopps an Israel. Er ist Träger des spanischen Großkreuzes „Isabella die Katholische“.
Deutschland braucht Griechenlands Reformmut – so der Titel des Beitrages. Wir erinnern uns an die Zwangsmaßnahmen der Troika aus IWF, EZB, EU-Kommission und der Rolle von Wolfgang Schäuble zu Beginn des 2. Jahrzehnts. Um 30% senkte die griechische Regierung die Sozialleistungen; das internationale Kapital setzte massive Lohnsenkungen durch. Totale Verarmung der Rentner*innen, der Arbeitslosen, Verarmung der Arbeiter*innen-Klasse und Kleinbauern waren Folgen.
Rhein hat 5 Punkte für eine Modernisierungsagenda. Sein Leitbild ist ein starker, schlanker und serviceorientierter Staat; stark in der Innenpolitik, schlank bei Behörden, d.h. dort wo es um Regeln für Unternehmen geht, in der Sozialpolitik und bei Vorschriften und Arbeitsschutz und serviceorientiert zum Kapital. Es geht um Verbesserung des Investitionsklimas, d.h. um mehr Investitionsbeihilfen, um Versicherungs-Rente, usw. In dieser politischen Logik kämen dann noch Teilprivatisierung der Krankenversicherung und Leistungseinschränkungen, Omas statt Kitas, Elite-Uni statt breiter Bildung, die Liste lässt sich fortführen. Ein Zitat: „Wir brauchen deshalb mit der Abschaffung des Bürgergeldes eine Rückkehr zu einer positiven Leistungskultur und zu Anreizen für Arbeit statt für Arbeitslosigkeit. Wir brauchen auch eine Flexibilisierung unseres Arbeitsgesetzes – weg von einer Höchstarbeitszeit pro Tag zu einer Höchstarbeitszeit pro Woche.“
Klima-Krise, so etwas findet sich nicht bei Rhein. Folgerichtig propagiert er das stockkonservative und wählerorientierte Festhalten am Verbrenner. Zitat: „Wir brauchen jetzt einen Comeback-Plan für unsere Wirtschaft und müssen endlich Spitzentechnologien wie Hightech-Verbrenner, hocheffiziente Flugzeuge und Energieinnovationen verbessern statt verbieten und vermiesen.“ Nicht nur bei Rhein vermischen sich massiver neoliberaler Druck mit erzkonservativen Blockaden.
Boris Rheins Artikel ist ein Konzentrat aus den Reihen der CDU/CSU und der Kapital-Vertreter.
Am 2. Dezember kündigte die Moderatorin des Heute Journal eine Meldung „aus der deutschen Wirtschaft an, die es in sich hat“. Die Nachrichtensprecherin trug dann vor, die „deutsche Wirtschaft habe Alarm geschlagen“, denn „sie befinde sich im freien Fall“. Mehr Dramatik ging nicht. Tags darauf war der Alarm in dem SZ- Artikel „OECD sieht leichte Aufschwung (in der Weltwirtschaft) – Industrie (deutsche) warnt vor Krise“. Weniger dramatisch, aber eindeutig in den Forderungen: „Deutschland braucht jetzt eine wirtschaftspolitische Wende mit klaren Prioritäten für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum.“ Das geht eigentlich seit Monaten so; täglich gibt es eine identische Aufforderung von irgendwelchen Funktionären des Kapitals, „Experten“ der Wirtschaft, neoliberalen Medien-Menschen.
Es ist nicht so, als sei diese massive und ständige Propaganda wirkungslos. Inzwischen hält selbst bei den Älteren eine Mehrheit die JU-Kampagne gegen die Rente für richtig. Die aktuellen Umfragen machen deutlich, immer mehr Menschen machen die Politik verantwortlich, dass die Wirtschaft kriselt.
Für den Abbau von mehr als 100.000 Industriearbeitsplätzen in den letzten Jahren gibt es mehrere Ursachen, die z.T. im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise zu tun haben und z.T. mit Management Fehlentscheidungen und profitorientierten Verlagerungen in andere Länder. Verstärkt wird die Entwicklung durch die Probleme der ökologischen Transformation und die Transformation durch Industrie 4.0 und KI. Das wird verschleiert, eher wird die Bewusstseinsorientierung nach rechts in Kauf genommen.
„Die neoliberale Politik der Umverteilung zu den Profiten und Vermögen, der Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung und der Umwandlung von Gesundheit, sozialer Sicherung, Bildung, Transport, Wohnen in eine Ware und Objekt der Spekulation, die Privilegierung von Finanzinvestitionen usw. hat die Macht des Kapitals weiter gestärkt, die soziale Polarisierung und weltweite Verarmung vorangetrieben und so die Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Produktionsweise verstärkt.“ (Thesenentwurf des Sekretariats des Parteivorstands der DKP 2010)
Seitdem wir vor 20 Jahren unser Parteiprogramm verabschiedeten, haben sich die internationalen Bedingungen verändert; die außenwirtschaftlichen, die außenpolitischen und militärpolitischen. Innen- und gesellschaftspolitisch dominiert der Neoliberalismus stärker denn je. „Der dramatische Sozialabbau und die durch die neoliberale Politik hervorgerufenen gesellschaftlichen Zerstörungen lösen in wachsenden Teilen der Gesellschaft Politikverdrossenheit und Resignation aus. Die Perspektivlosigkeit der Betroffenen produziert Angst, Verzweiflung und die Neigung, irrationalen und rechtsextremen bis hin zu faschistischen politischen Losungen zu folgen. Rechte Demagogie, Rassismus und Antisemitismus leben verstärkt wieder auf.“ (Partei-Programm 2006)
Das erleben wir gerade bei uns im Saarland. Die aktuellen Umfrageerkenntnisse sind so erschreckend wie erwartbar. Minister*innen wie Barke und Streichert-Clivot nimmt niemand mehr ernst. Seit Monaten wird der Zusammenbruch des Landes propagiert. Toscani und seine CDU kriegen keine konstruktive Idee zu Stande, immer nur Wadenbeißerei, da springt selbst die Saar-AfD mit dem „senilen“ Dörr über 25%.
In einem Beitrag in „jacobin“ bringt Michael Brie ein Zitat von Mario Candeias von der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom vergangenen Jahr: »Das grün-kapitalistische Modernisierungsprojekt als dominante Antwort auf die Krisen wird durch Austeritätspolitik blockiert. Autoritär-populistische Kampagnen verschieben das politische Kräfteverhältnis nach rechts. […] Eine fortschrittliche Alternative zur Ampel-Politik ist aber kaum erkennbar. Die sogenannte Brandmauer erodiert, im rechts-konservativen Lager finden entsprechende Vorbereitungen und Umgruppierungen statt. An welchem Punkt gesellschaftlicher Entwicklung stehen wir? Droht eine dauerhafte politische Krise, eine autoritäre Transformation oder gar eine Dynamik der Faschisierung?«
Er beantwortet die Frage indem er die gegenwärtige Entwicklung als „autoritären Neoliberalismus“ definiert, auch in Abgrenzung zu einer behaupteten Faschisierung. Mir scheint seine Definition zutreffend. Brie meint damit die gegenwärtig dominierende Strömung im Neoliberalismus. Der Neoliberalismus allgemein wird nicht als einheitlicher Block gesehen. Dazu mehr in dem Artikel.
Am Schluss sein Rat an die Linkspartei, über den auch wir nachdenken sollten:
„Wenn Die Linke dazu beitragen will, diese Rechtsentwicklung zu stoppen, darf sie sich nicht in eine Situation bringen lassen, in der sie von CDU/CSU, SPD oder Grünen erpresst wird, eine Politik des Sozialabbaus, der Konservierung antisozialer und antiökologischer Strukturen, der Militarisierung und Konfrontation mitzutragen – nur um nicht mit der AfD zu stimmen, wenn diese sich aus ganz anderen Gründen gegen die herrschende Politik wendet. Dadurch würde sie genau jene Politik befördern, die die radikale Rechte stark macht, und zugleich jede Chance auf einen eigenen dritten Pol, auf ein solidarisches Mitte-unten-Bündnis zunichtemachen. Die These von der »Querfront« ist ein Herrschaftsinstrument. Am besten wendet man sich dagegen, wenn man sehr selbstbewusst die eigenen linken Positionen vertritt.
Es geht um breite Bündnisse zur Verteidigung der liberalen Errungenschaften der Bundesrepublik und der EU. Dies schließt auch wesentliche Teile von CDU/CSU und FDP sowie BSW ein. Zweitens braucht es eine offene Absage an neoliberale und militaristische Politik und geopolitische Konfrontation. Deshalb kann es zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf Bundesebene keine Koalitionen mit SPD und Grünen geben. Und auf der Grundlage dieser beiden Positionen sollte drittens eine eigene, dezidiert linke sozialistische Klassenpolitik im Zentrum stehen. Eine solche Politik ist die Basis. Nur von hier aus kann wirksam der Neuen Rechten und dem verfallenden neoliberalen Mainstream entgegengetreten werden.
Die Linkspartei darf der AfD nicht die Oppositionsrolle überlassen. Während diese sich dem Establishment annähert, Aufrüstung, NATO, harte Marktreformen und neoliberale Politik unterstützt, muss die Linke zum wirklichen Gegenpol werden. Wer dabei von Fall zu Fall entscheidet, um »Schlimmeres« zu verhindern, driftet schnell selbst nach rechts und fällt am Ende um. Es geht darum, sich in Stellung zu bringen, wenn die gesellschaftlichen Konflikte offen ausbrechen und die Kräfteverhältnisse kippen, denn dieser Punkt wird kommen.
Erstens geht es darum, glaubwürdig zu bleiben als Partei, die die gemeinsamen Interessen der Lohnarbeitenden wirklich ins Zentrum stellt, sei es in der Mietenfrage oder bei der Bezahlbarkeit von Energie, bei der Finanzierung der wirtschaftlichen Transformation und im Kampf gegen Aufrüstung und globale Konfrontation. Daran müssen sich auch Regierungsbeteiligungen auf Landesebene messen lassen. Die Unterordnung der Bundesrepublik unter die Politik der NATO ist Politik, die in den Krieg führt. Kein »Ja, aber«, sondern ein wirksames »Nein« ist gefordert.“

Antworten