Saarländische Familien immer stärker unter Druck – oder: Kinder haben keine Lobby

von Katja Richter

Hohe Lebensmittelpreise, Energiekosten und Mieten sorgen auch weiterhin für eine angespannte Lage in zahlreichen saarländischen Familien. Insbesondere Familien mit drei oder mehr Kindern, sowie Alleinerziehende und BürgergeldbezieherInnen sind -mit 47 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren-, stark betroffen. Fast 33.000 Kinder im Saarland sind demnach laut einer Analyse der Bertelsmann-Stiftung von Armut bedroht. Das Saarland, bundesweit auch Schlusslicht in Sachen sozialer Wohnungsbau.

Zu den stetig wachsenden Sorgen und Alltagsnöten, kommen bei Vielen zusätzlich existenzielle Ängste um einen drohenden Arbeitsplatzverlust hinzu, wie zum Beispiel in der Automobilindustrie und ihren Zuliefererbetrieben. Die Pandemiejahre mit ihren Folgen haben in den Familien ihre Spuren hinterlassen, so dass sie mit vielfältigen Problemen konfrontiert sind. Fast jedes vierte Schulkind im Saarland litt während der Pandemiejahre unter psychischen Auffälligkeiten. Weiterhin stecken insbesondere Frauen beruflich zurück, um Kindererziehung, Carearbeit, Pflege von Angehörigen und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Es mangelt weiterhin an ausreichenden Betreuungsangeboten für Kinder. Kindertagesstätten kämpfen nach wie vor mit unzulänglichen Personalschlüsseln und es fehlt an geeignetem Fachpersonal, was besonders Familien mit Kleinkindern trifft.

Die multiplen Krisen unserer Zeit stellen insbesondere für Familien eine große Belastung dar. Alleinerziehende trifft es auch hier noch härter:
Geringverdienende Alleinerziehende müssen über 7% ihres Haushaltseinkommens für inflationsbedingte Preissteigerungen aufbringen, während Paare mit Kind, die die gut verdienen und höhere Einkommen erzielen nur eine Mehrbelastung von 4,5% ihres Einkommens stemmen müssen. Je geringer das Haushaltseinkommen, desto höher die Mehrbelastung.

Für Familien, die immer schon jeden Cent zweimal umdrehen mussten, ist der Wocheneinkauf zu einer enormen Herausforderung geworden. Alle müssen sparen, insbesondere die unteren Einkommensschichten, viele RentnerInnen, Alleinerziehende und BürgergeldbezieherInnen. So steht man auch in diesen Tagen im Lebensmittelgeschäft immer mal wieder vor zum Teil leeren Regalen, wenn es darum geht, preiswerte Produkte zu ergattern. Ganz oben dabei immer wieder Spinat oder passierte Tomaten. Wer noch irgendwie versuchen will, sich halbwegs gesund zu ernähren, greift eben zu Spinat und kocht Tomatensoße. Bei vielen reicht das Budget schon lange nicht mehr für frisches Obst oder Gemüse – von Fleisch, Fisch oder vegetarischen Ersatzprodukten ganz zu schweigen. Selbst Grundnahrungsmittel wie Brot -und Backwaren, Kartoffeln, Nudeln oder Milchprodukte, sind weiterhin deutlich teurer. Eine gesunde Ernährung, ohnehin eine Herausforderung für Familien der unteren Einkommensschichten mit Kindern, ist für viele schlicht nicht mehr erschwinglich und leistbar. Hier würde eine kostenlose warme und ausgewogene Mahlzeit in Schulen und Betreuungseinrichtungen Kindern und Jugendliche ein Mindestmaß an gesunder Ernährung garantieren.

Auch die enorme Belastung durch hohe Energiekosten und steigende Mieten (+17,9% im Vergleich zum Vorjahr) trifft Familien mit Kindern vielfach härter. Kinderzimmer sind zu heizen, Elektrogeräte, wie z. B. Waschmaschinen oder Küchenherd laufen täglich und müssen mehrfach benutzt werden. Hier würde Familien ein verbilligtes Grundkontingent an Strom, Heizöl, Gas etc. immerhin etwas Erleichterung verschaffen.

Eine Umfrage zu „Familien in Krisenzeiten“, zeigt, in welchen Bereichen Familien überlegen Geld einzusparen oder es bereits tun. Besuche in Cafes oder Restaurants führen die Liste an. Danach folgt der Verzicht auf Freizeitaktivitäten, wie Kino, Freizeitpark oder Kindertheater uvm. Danach kommt der Verzicht auf den Kauf von Kleidung, den Familienurlaub, Spielsachen und Lebensmittel. Hier offenbart sich ein Teufelskreis, der die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben weiter einschränkt. Kein Stadtbummel, kein Eis an der Eisdiele, keine Brezel vom Bäcker. Ausgestorbene Innenstädte an vielen Orten. Dies hat auch Folgen für die noch vorhandenen Bäckereien und andere Einzelhandelsgeschäfte mit sämtlichen fatalen Konsequenzen für die dranhängenden Existenzen.

Die Schambehaftung, die mit wachsender Armut einhergeht, belastet Kinder und Jugendliche besonders stark. Ausgrenzung, Mobbing und Isolation treffen arme Kinder besonders, behindern eine gesunde Entwicklung und eine positive Einstellung für die Zukunft.
Die erbärmlich ausgefallene Kindergrundsicherung, die mit einem lächerlichen Betrag von gerade einmal 2,4 Milliarden ausgestattet wird, zeigt, dass Kinder der unterprivilegierten Familien in diesem Land keine Lobby haben. Während für Auf -und Hochrüstung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro im Eilverfahren durchgewunken und im Bundestag, sowie von einem Teil der Bevölkerung frenetisch bejubelt wurde, leidet jedes fünfte Kind in Deutschland weiterhin unter Armut, gerade im Saarland.
Voller Sorge blicken viele ArbeiterInnenfamilien dem nahenden Winter entgegen. So mancher Heizöl -oder Gastank ist noch leer, die Preise steigen – wenig überraschend – pünktlich zur Heizsaison wieder an und die hohen Lebensmittelpreise fressen die Löhne auf. Der Kaufkraft -und Reallohnverlust vieler ArbeiterInnenfamilien, RentnerInnen und BürgergeldbezieherInnen im Saarland wird auch weiterhin die gesamte Region treffen.

Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit bleiben weiterhin Worthülsen, die auch kosmetische Korrekturen nicht überdecken, geschweige denn beseitigen können. Familien mit geringem Einkommen und Alleinerziehende müssen endlich spürbar und nachhaltig entlastet werden, sonst drohen sie unter der Last der Krisen endgültig zusammenzubrechen.
Es müssen endlich jene zur Kasse gebeten werden, die von derzeitigen Krisen profitieren und auch sonst als Nutznießer ihre Schäfchen im Trockenen haben. Lassen wir nicht zu, dass einmal mehr ArbeiterInnenfamilien die Zeche zahlen müssen!

Darum fordern wir:

  • Kostenlose Mahlzeiten für Kinder und Jugendliche in Schulen und Betreuungseinrichtungen
  • Ein Sondervermögen Bildung von 100 Milliarden € statt Aufrüstung der Bundeswehr
  • Lernmittelfreiheit
  • Ganztagsschulen flächendeckend, auch im Grundschulbereich
  • Mehrwertsteuerbefreiung auf Produkte für Kinder, wie Windeln uvm.
  • Kostenloser Eintritt für Kinder in Schwimmbäder, Museen und Theater
  • Eine Lebensmittelpreisbremse, insbesondere für Grundnahrungsmittel und Produkte des täglichen Bedarfs
  • Kostenloser SchülerInnentransfer
  • Wiedereinführung eines 9€-Tickets für den ÖPNV
  • Vergünstigtes Strom -und Heizkontingent für Grundbedarf von Familien
  • Sofortiger Mietpreisstopp
  • Massiver Ausbau des sozialen Wohnungsbaus

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