Saarländische Stahlindustrie: Rekorderlöse durch Rekordproduktion – Reallohnverlust bei Einkommen und Renten

Mit einer Rohstahlproduktion von 6,1 Mio. t an den drei saarländischen Standorten Dillingen, Völklingen und Bous im Jahre 2021 erreichte die Rohstahlerzeugung an der Saar einen neuen Höchstwert. Die 6,1 Mio. t Rohstahl entsprachen einem Anteil von 15,2 % an der deutschen Rohstahlproduktion von 40,1 Mio. t im Jahre 2021.
Auch die derzeitigen Verkaufserlöse in der deutschen Stahlindustrie sind auf Rekordniveau. Nach „Capital“ vom 20.9.2022 kostetet eine Tonne Baustahl im Herbst 2021 noch 700 €. Im August 2022 mussten dafür 1.100 € entrichtet werden. In Frankreich und Deutschland wurde im August 2022 für Warmband je Tonne 1.122 € bezahlt. Bekanntlich besteht der von Saarstahl in Burbach und Neunkirchen gewalzte Draht, sowie der in Völklingen gewalzte Stabstahl rund, vierkant, sechskant-Profile und Halbzeug diverser Abmessungen aus hochwertigen Qualitätsstählen, so dass für diese Stähle eher 1.300 € und mehr je Tonne erzielt werden. Gleiches gilt für die in Dillingen aus hochwertigen Qualitäten erzeugten Grobbleche und Brammen. Auch für diese müssen Kund*innen deutlich mehr als für normales Warmband bezahlen.
Seit 2013 ist die Produktivität der saarländischen
Stahlindustrie kontinuierlich gestiegen. Mit 751 t erzeugtem Rohstahl pro Beschäftigten erreichte sie 2021 einen neuen Höchstwert. Damit lag sie um 29 % deutlich über dem Deutschland-Mittel von 584 Tonnen je Beschäftigten. Unverständlich bleibt bei diesen Kenndaten, dass die IG Metall den Tarifabschluss vom 29. Juni, für die 15.000 Beschäftigten an der Saar, bei Buderus Edelstahl in Wetzlar sowie bei den Badischen Stahlwerken in Kehl, von nur 6,5 % Lohn- und Gehaltserhöhung ab 1. November 2022 als Erfolg bewertet. Selbst unter Berücksichtigung, dass ein Energiebonus von insgesamt 500 € vereinbart wurde, bleibt das selbst erklärte Ziel, „den Beschäftigten ihren gerechten Anteil an der aktuell guten Ergebnissituation und Auftragslage zu erhalten“, so der IG Metall-Verhandlungsführer und Leiter des IG Metall Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, dennoch unerreicht. Auch die Ergebnisbewertung des 1. Bevollmächtigten der IG Metall Völklingen, Lars Desgranges, „Die Übernahme des Stahlabschlusses und ein Entgeltplus von 6,5 Prozent tragen erheblich zur Einkommenssicherung der Stahlbeschäftigten im Saarland bei.“ ist fern jeder Realität. Dazu kommt die lange Laufzeit von 18 Monaten. Wenig hilfreich für die Beschäftigten und Rentner*innen ist die aktuelle Äußerung der DGB-Vorsitzenden Fahimi, zur konzertierten Aktion des Bundeskanzlers. Auf die Frage, ob die konzertierte Aktion tatsächlich konkrete Ergebnisse bringe, entgegnete sie: „Ja, wir haben schon eine Menge Ergebnisse erreicht. Zum Beispiel, dass es jetzt eben nicht um Lohnzurückhaltung, sondern um Kaufkraft-Stabilisierung geht.“ (SZ, 8.10.’22) Da fragen sich doch nicht wenige, was bitte ist bei Lohnerhöhungen von 6,5 % und einer Inflationsrate von 10 % Kaufkraft-Stabilisierung? Bei einer Inflationsrate von 7 % im August und 10 % im September, schmilzt die ab November zu zahlende Erhöhung der Einkommen, noch vor deren Inkrafttreten wie Schnee in der Sonne. Dieser Abschluss ist für die Beschäftigten unter der obwaltenden Inflation und den massiven Preissteigerungen nicht nur für Energie keine Reallohnsicherung, sondern bringt bereits vor seinem Inkrafttreten Reallohnverluste. Hier kommt der DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben der Realität deutlich näher, der im Juni schätzte, dass wir „am Ende 20 bis 30 Prozent ärmer sein“ würden. Abgesehen davon, dass die Verarmung sehr unterschiedlich ausfallen wird, ist nun kein „Ende“ mehr in Sicht. Eine massive Rezession in Europa dürfte kaum noch abwendbar sein. Es ist gut möglich, dass es für Millionen um weit mehr als 20 bis 30 Prozent geht.
Die Einkommen der Beschäftigten in der saarländischen Stahlindustrie sind im Vergleich mit Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen überdurchschnittlich. Im Gegensatz hierzu sind die mittleren Brutto-Stundenverdienste in den meisten anderen Branchen im Saarland überwiegend niedriger.
Selten wurde die Absurdität der ständig wiederholten Kapitalistenargumentation, von der angeblichen „Lohn-Preisspirale“ die von den Qualitätsmedien gerne kolportiert werden, deutlicher. Das Narrativ, dass steigende Löhne zu Preissteigerungen führen, entspricht allein der Unternehmerlogik. 2005 hatten die Personalkosten bei Saarstahl noch einen Anteil am Umsatz von 15,5 %. Heute hat sich der Personalkostenanteil auf unter 11 % verringert. Dies bedeutet: Beträgt der Verkaufspreis für eine Tonne Walzstahl 1.000 €, so ist der Personalkostenanteil daran 110 €. Erhalten die Beschäftigten 6,5 % mehr Lohn und Gehalt erhöhen, sich die Personalkosten um 7,15 %, der Verkaufspreis auf 1.007 € oder 0,7 Prozent. Wie das die Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens gefährden soll, bleibt das Geheimnis der Qualitätsmedien. Während die Energie- und Konsumpreise sich fast täglich dynamisch erhöhen, verlieren die Einkommen und Renten massiv an Kaufkraft.
Unwägbarkeiten wird es bei den explodierenden Preisen beim notwendigen Bezug von Gas geben. Der Wirtschaftskrieg zwischen Russland und den NATO-Staaten führt zu unkalkulierbaren Problemen bei der Gasbeschaffung und wird nicht nur die saarländische Stahlindustrie, sondern auch große Teile der einkommensschwachen Bevölkerung in arge Bedrängnis bringen.

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