Israel, die Palästinenser und wir

von Rainer Dörrenbecher, beraten im Bezirksvorstand der DKP Saarland

Wir, das ist die DKP in ihrer Entwicklung seit 1968, das ist der gegenwärtige Parteivorstand und das sind wir, die Mitglieder des Bezirksvorstandes und Aktivist*innen der DKP Saarland

Erich Fried

Bezwinger der Wüste

Simon der Kameramann

sieht die Planierraupen

die die letzten Trümmer

der Araberhäuser zermalmen

und die Erde

die Gurken hervorgebracht hat

Tomaten Wassermelonen

und da und dort einen Ölbaum

aufreißen und verderben

Zementstaub auf Lehmstaub

Staub auf staubiges Grün

auf staubiges rosa Erdreich

und sagt: „Bevor die Juden

die Wüste bezwingen können

müssen sie hier die Wüste

erst selber machen“

Simon der Kameramann ist real; er hat diese Zerstörung bei Raffah 1972 dokumentiert. Seit vielen, vielen usw. Generationen haben dort palästinensische Bauern und Beduinen gelebt.

Erich Fried, am 6. Mai 1921 in Wien geboren. 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs nach England geflohen – viele seiner Angehörigen wurden von den Nazis ermordet – hat vor allem nach dem Sechstagekrieg 1967 in vielen Gedichten die Politik Israels gegen die Palästinenser kritisch thematisiert. Er starb am 22.11.1988 in Baden.

zitiert aus Marxistische Blätter, 4-2001 (Juli)

Wer Erich Fried nicht kennt und im Internet nachschaut, findet einen Liebesgedichte-Lyriker. Es ist die in Deutschland übliche Kastration des verfemten politischen Dichters. Es gibt allerdings in der BRD einige Gesamtschulen, die seinen Namen führen. Die „Erich-Fried-Gesamtschule Herne“ z.B. veröffentlicht als Begründung für ihren Namen u.a.: „Sein literarisches Werk und vor allem sein gesellschaftliches Engagement für Frieden, Demokratie und Toleranz waren ausschlaggebend für diese Entscheidung.“ Startseite » Erich-Fried-Gesamtschule der Stadt Herne

Hypothetische Fragen:

  1. Was würde aktuell passieren, würde E.F. noch leben und er würde ein derartiges Gedicht veröffentlichen? Die Antwort gibt die Kulturstaatssekretärin Claudia Roth: „Es gibt bei Linksradikalen diesen ekelhaften offenen Antisemitismus.“ in einem am Freitag, 01.03.24 veröffentlichten Spiegel-Interview über den Auftritt des US-Regisseurs Ben Russell auf der Berlinale und dessen Vorwurf, Israel verfolge einen »Genozid« an den Palästinensern. (JW-online 2.3.24)
  2. Könnte Esther Bejarano heute ihre Kritik an Israels Unterdrückungspolitik äußern, ohne dass sie als „selbsthassende Jüdin“ o.ä. diffamiert würde? Sie hatte die KZ Ausschwitz und Ravensbrück überlebt, wanderte 1945 nach Palästina aus, heiratete dort, kehrte 1960 mit ihrer Familie nach Deutschland zurück. Es gab mehrere Gründe; ihr Ehemann war nach dem Suez-Krieg 1956 Kriegsdienstverweigerer geworden, beide waren Gegner der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern. Ihr wurde das Große Bundesverdienstkreuz verliehen; starb 2021.

Oder Horst Bernard, Ehrenvorsitzender der VVN-BdA Saarland und Träger des Bundesverdienstkreuzes würde ihn das vor Diffamierung schützen, würde er sich öffentlich „israelkritisch“ äußern?

  1. Wie lange müssen die Palästinenser als Volk noch dafür leiden, dass die Bevölkerung Deutschlands die Shoa zu verantworten hat? Für viele palästinensischen Kulturschaffende und Publizist*innen und für viele kritische Jüdinnen und Juden steckt darin der Kern der deutschen Staatsräson zu Israel und der Anti-Antisemitismus-Kampagne gegen die Benennung israelischer Verbrechen gegen die Menschheit, die Apartheidpolitik und allgemein gegen Kritik an der israelischen Politik gegen die Palästinenser und der Besatzung.

Standpunkte:

  1. zum Massaker der Hamas an jüdischen Zivilisten in Israel am 7. Oktober und den Folgen

In einem Meinungsaustausch per Mail am 9.10. war unsere Auffassung: Dieser Angriff der Hamas ist unmissverständlich zu verurteilen. Da darf es kein Drumrumreden geben. Es ist ein militärischer Terror-Angriff auf die israelische Zivilbevölkerung. Er hat nichts mit palästinensischer Selbstverteidigung zu tun. Dies und die Gefangennahme bzw. Geiselname von Zivilisten dürfen nicht relativiert werden. Diese Aggression mag das Selbstverständnis der Hamas und ihrer Führer stärken. Die Toten und Verwundeten auf beiden Seiten interessieren diese nicht. Dieser militärische Überfall bekräftigt die antipalästinensische Einheit der jüdischen Bevölkerung in und außerhalb Israels. Seit vielen Wochen steht die klerikal-faschistoide Regierung im Land unter Druck, ist international isoliert. Das ist jetzt Geschichte. Netanjahu und seine Regierung sind gerettet. Der Hamas-Überfall zerstört in Israel die Friedensbewegung und die internationale Solidaritätsbewegung mit den Palästinensern. Die Staats-Solidarität bei uns mit Israel tobt sich aus. Kritik an dem israelischen Besatzungsterror wird verschärft kriminalisiert. Die ersten Forderungen sind schon da.

Das wurde nur innerhalb des Bezirksvorstands kommuniziert.

  1. Thomas Hagenhofer bei dem BezirksmitgliederTreff am 25.10.23:

Stellt Euch vor, die Menschen in Gaza würden sich befreien können von der parasitären verbrecherischen Herrschaft der Hamas.

Stellt Euch vor, die Beschäftigten in Israel würden mit einem Generalstreik ihre korrupte Regierung davonjagen, die vor allem den Militär-Industrie-Komplex im Land bedient.

Stellt Euch vor, die Menschen in der Ukraine und in Russland würden ihre Oligarchen entmachten und das gegenseitige Abschlachten beenden.

Stellt Euch vor, die Gewerkschaften in Deutschland würden sich nicht länger mit Reallohnverlust abspeisen lassen, sondern mit Massenaktionen die Macht des Kapitals und ihrer Regierung einschränken.

Wir haben oft in unseren Veranstaltungen auf die Tendenz hingewiesen, dass sich die kapitalistischen Verhältnisse immer mehr zum Barbarischen hin entwickeln. Wem fällt angesichts der aktuellen Zustände nicht der berühmte Satz von Rosa Luxemburg über Sozialismus oder Barbarei ein. Diese Welt leidet in extremen Maß an der Abwesenheit von Klassenbewusstsein, an bewusst geführten Klassenkämpfen für eine grundlegende Umgestaltung – man kann auch sagen, sie droht daran zugrunde zu gehen.

Was in Israel/Palästina derzeit passiert, kann nur als barbarisch charakterisiert werden. Da ist der zutiefst menschenverachtende Überfall der Hamas auf israelische Zivilisten mit 1400 Toten und 220 verschleppten Geiseln. Diese Taten sind durch nichts zu rechtfertigen. Die Hamas war und ist keine Befreiungsbewegung. Ganz im Gegenteil verschlimmert sie die Situation der Palästinenser*innen dramatisch. Es wäre schön, wenn der Parteivorstand der DKP dies auch einmal so klar formulieren könnte. Alles andere schadet dem Ansehen der DKP.

Und nun der Angriff Israels auf Gaza mit tausenden Toten, zu dem wir ebenfalls nicht schweigen. Jetzt drohen mit einem Bodenkrieg ein riesiges Blutbad und ein Flächenbrand in der Region. Ein barbarisches Massaker soll beantwortet werden durch einen unverhältnismäßigen völkerrechtswidrigen Krieg. Die deutsche Außenministerin schafft es nicht einmal, einem von anderen EU-Staaten unterstützen kurzzeitigen Waffenstillstand zur humanitären Versorgung der Bevölkerung in Gaza zuzustimmen. Ganz anders und verantwortungsvoll agiert da der UN-Generalsekretär Guterres. Und selbst die USA mahnen den Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza an. Sie alle wissen im Gegensatz zu Baerbock, was auf dem Spiel steht.

Eine Alternative zum drohenden Flächenbrand haben 30 israelische Menschenrechtsorganisationen, darunter „Breaking the silence“ formuliert:

„Wir haben uns immer gegen Gewalt gegen unschuldige Zivilisten gewandt, nun ist es in dieser schrecklichen Zeit, in der wir auf israelischer Seite die Toten zählen und uns um verletzte, vermisste und entführte Angehörige sorgen, und in der Bomben auf Wohnviertel in Gaza abgeworfen werden, die ganze Familien auslöschen, ohne dass die Toten begraben werden können, unsere Pflicht, unsere Stimme laut und deutlich gegen die Angriffe auf unschuldige Zivilisten zu erheben – in Israel wie in Gaza.

Wir verlangen die sofortige Freilassung aller Geiseln und ein Ende der Bombardierung der Zivilbevölkerung in Israel und im Gazastreifen. Humanitäre Hilfe muss die Zivilbevölkerung erreichen können, medizinische Einrichtungen und Zufluchtsorte dürfen nicht angegriffen werden und lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Strom nicht abgeschnitten werden. Das Töten weiterer Zivilisten wird die verlorenen Menschenleben nicht zurückbringen. Wahllose Zerstörungen und eine Belagerung, von der Unschuldige betroffen sind, werden keine Linderung, Gerechtigkeit oder Ruhe bringen. (…)Wir rufen dazu auf, Verhandlungen zu führen und alle denkbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Freilassung der Geiseln herbeizuführen – unter Vorrang der von der Hamas festgehaltenen Zivilisten. Das ist die einzig humane und vernünftige Maßnahme, und das muss sofort geschehen.“

Dieser Ansatz sollte international im Rahmen der UN umgesetzt werden. Insbesondere die US-Regierung aber auch die EU muss hierfür Druck machen. Zudem müssen im Rahmen des Völkerrechts alle Verantwortlichen für Kriegsverbrechen und Terror zur Rechenschaft gezogen werden.

Die tieferen Ursachen dieser heutigen Entwicklung liegen in der einseitigen Parteinahme der westlichen imperialistischen Staaten an der Seite der immer reaktionärer werdenden israelischen Regierungs-, Besatzungs- und Siedlungspolitik. Seit vielen Jahrzehnten werden die Rechte der Palästinenser*innen missachtet – gegen alle Beschlüsse der UNO. Unsere Bundesregierung gibt vor, im Interesse der Sicherheit Israels zu handeln. Das Gegenteil ist der Fall. Auf diesem Weg wird es nie Frieden und Sicherheit für Israel und die anderen Völker im Nahen Osten geben.

Deshalb sagen wir: Wir lehnen jegliche Form von Terrorismus und Unterdrückung ab – ob in der bestialischen Form von marodierenden Hamas-Kämpfern, die die Vernichtung Israels und aller Jüdinnen und Juden zum Ziel haben oder in Form eines brutalen Besatzungsregimes durch die israelische Armee in den widerrechtlich besetzten Gebieten. Die israelische Regierung muss nach einem Waffenstillstand zügig die Anerkennung eines palästinensischen Staates erklären und die widerrechtlich besiedelten Gebiete in angemessener Frist räumen. Die Siedlergewalt im Westjordanland muss sofort gestoppt werden.

Wir sind solidarisch mit den Menschen in Israel, die unschuldig unter dem Massaker, den Geiselnahmen und der aktuellen Situation leiden. Wir sind solidarisch, mit den unschuldigen Opfern in den palästinensischen Gebieten. Wir unterstützen die Friedensbewegung in Israel und die palästinensischen Kräften, die sich auf humanistischer und säkularer Grundlage gegen die Besatzung wehren und sich für ihr Selbstbestimmungsrecht, für einen eigenen Staat einsetzen. Diese Solidarität kann keine Kräfte umfassen, die die beiden Völker gegeneinander hetzen und das Existenzrecht Israels infrage stellen. Und wir wehren uns gemeinsam mit anderen gegen jede Form antisemitischer Hetze und Übergriffe in unserem Land.

Thesen:

  1. Israel ist nicht nur der Staat der Überlebenden der Shoa

Im deutschen Allgemeinverständnis wird Israel als Staat der Überlebenden dargestellt, darauf reduziert. Daraus werden die Staatsräson und die aktuelle „unverbrüchliche und uneingeschränkte Solidarität mit Israel“ abgeleitet. Diese deutsche Staatsräson gegenüber Israel wird propagandistisch mit der Verantwortung vor der Geschichte begründet. Gleichzeitig saßen in den ersten Bundesregierungen, in Justiz, Staatsapparat, Polizei und Armee die Mörder und Helfer. Es geht bei der deutschen Staatsräson nicht um Moral und Humanismus; es geht um Geo-Politik.

Die zionistische Konzeption der Einwanderung west- und mitteleuropäischer Juden nach Palästina ist bekannt. Das Konzept hieß „Volk ohne Land in ein Land ohne Volk“. Der größte Teil der Einwanderer kam aus Osteuropa; die Führung kam aus West- und Mitteleuropa. Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre kam es im Land ohne Volk zu gegenseitigen Massakern.

Nach 1945 unterstützten die Siegermächte, unterschiedlich, die massenhafte Einwanderung der entwurzelten Jüdinnen und Juden nach Palästina. Die arabische Bevölkerung wurde ignoriert.

Am 1. Dez. 1947 beschloss der Sicherheitsrat der UNO die Bildung zweier annähernd gleich großen Staaten, Israel und Palästina. Die arabischen Feudalstaaten waren dagegen. Die Verhandlungen kamen nicht voran. Israel konstituierte sich am 15. Mai 1948. Es folgte der 1. israelisch-arabische Krieg und für die Palästinenser die Nakba.

  1. Israel und die UNO

„Im November 1947 verabschiedeten die UN die Resolution 181, die britisches Mandatsgebiet in Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufteilte. Der Beschluss war die Grundlage für die Ausrufung des Staates Israel am 14. Mai 1948. Schon einen Tag später beantragte das Land die Aufnahme in die Vereinten Nationen.

 

Doch über die Jahre verschlechterte sich das Verhältnis. 1975 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, die Zionismus mit Rassismus gleichsetzte. Die Entscheidung ließ das Ansehen der Vereinten Nationen in Israel abstürzen. Überall im Land wurden die örtlichen Avenue of the United Nations in Avenue of Zionism umbenannt. Es kam zu wütenden Demonstrationen. 1991 wurde die Resolution zwar zurückgenommen, um die Friedenskonferenz von Madrid zu ermöglichen, doch entspannt hat sich das Verhältnis zwischen dem jüdischen Staat und der Organisation seitdem nicht. Im vergangenen Jahr etwa verabschiedete die Generalversammlung 15 Resolutionen, die sich mit Israel befassten – vor allem mit der Siedlungspolitik der Regierung. Das geht aus einer Auswertung der NGO UN Watch hervor. Zum Vergleich: Der Rest der Welt wurde – insgesamt – mit 13 Resolutionen belegt. Russland infolge seines Angriffs auf die Ukraine mit sechs, Staaten wie Nordkorea, Syrien, Myanmar und Iran jeweils nur mit einer.

Dass Israel so viel stärker im Fokus steht als diese notorischen Menschenrechtsverletzer, hat Gründe. „In der Generalversammlung sind alle Mitgliedsstaaten vertreten. Und vor allem die Repräsentanten des Globalen Südens empfinden eine große Solidarität mit den Palästinensern“, sagt Merissa Khurma vom Wilson Center in Washington, D. C.“ (https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-10/israel-gazastreifen-konflikt-vereinte-nationen-un-sicherheitsrat)

  1. Israel ist kein klassenneutraler Staat – zur gesellschaftlichen Struktur

Die bürgerliche Gesellschaftswissenschaft geht selbstverständlich aus von einer Überwindung des Klassencharakters der kapitalistischen Gesellschaft (soziale Marktwirtschaft); der Klassencharakter des bürgerlichen Staates wurde schon immer abgestritten. Die herrschende Politik, die nichtmarxistischen Parteien und Organisationen und Medien vertreten entsprechend dieses Gesellschaftsverständnis. Dies beherrscht inzwischen das Bewusstsein der Zivilgesellschaft.

In der Diskussion um Israel spielt der Klassencharakter des israelischen Staates auch bei linken Kräften so gut wie keine Rolle. Da besteht der Eindruck, es handele sich bei Israel im marxistischen Sinn um einen besonderen Staatstyp, eine Gesellschaftsordnung, bei der die ökonomische Gesellschaftsformation ignoriert wird.

der israelische Kapitalismus

Israel ist ein hochentwickeltes kapitalistisches Land mittlerer Größe, Rang 28 im Bruttoinlandsprodukt-Vergleich. Die Wirtschaft hatte in der Vergangenheit drei dominierende Wirtschaftsformen: Staatsunternehmen, privatkapitalistische Unternehmen und genossenschaftliche Unternehmen. Genossenschaften sind inzwischen bedeutungslos; existieren fast nur noch in der Landwirtschaft; diese hat einen Anteil von 2,8% am BIP. Der zweite genossenschaftliche Bereich waren die gewerkschaftseigenen Unternehmen. Die Staatsunternehmen, einschließlich des öffentlichen Dienstes, haben einen Anteil von 40%. Führende Industriebranchen sind nach der Rüstungsindustrie, die Chemische Industrie, Solarindustrie und die Hochtechnologie. Israel schwankt um Platz 10 als Exporteur von Kriegsgerät. (alle Zahlen bei wikipedia und bpb)

Seit Mitte der 50er Jahre erhält Israel vor allem aus den USA, Kanada, der BRD u.a. Ländern umfangreiche Transferleistungen und beständige Spenden amerikanischer Juden. Nur so war der rasche Aufbau der Wirtschaft, des Staatsapparates und der Streitkräfte möglich. (Wikipedia) Die negative Außenhandelsbilanz wurde durch umfangreiche Ausgleichzahlungen aufgehoben. Statistisch betrachtet erhielt Israel pro Einwohner jährlich mehr als 2.500 Dollar seit Staatsgründung bis Mitte der 70er Jahre ausländischer Subventionen. (Gehrke u.a., Die deutsche Linke … u.d. Nahostkonflikt, 2009)

Mehrere israelische Großkonzerne sind unter den weltweit 100 Größten. Die Wirtschaft wird dominiert von den staatskapitalistischen und privatkapitalistischen Großkonzernen/Monopolen.

Konkrete Daten über die Verhältnisse von Staatsbeteiligungen – privatem israelischem Kapital – ausländischem Kapital, Transferleistungen usw sind bei Quellen wie bpb, wikipedia u.a. nicht veröffentlicht. (auch nicht in meiner Literatur)

Soziale Situation

Seit mehr als 10 Jahren haben sich die sozialen Verhältnisse in der israelischen Mehrheitsgesellschaft verschärft. Immer wieder kam es zu sozialen Massenprotesten. „Hatte die Gründergeneration noch das Ziel, eine sozialistisch geprägte Gesellschaft aufzubauen, so klafft heute die Schere zwischen arm und reich weit auseinander.“ (Bundeszentrale für politische Bildung)

Ab den 1980er Jahren durchlief Israel einen kapitalistischen Prozess und die Armutsquote stieg. Israel ist eines der Länder mit der größten Ungleichheit und weist die größten Einkommensunterschiede unter den OECD-Ländern auf. Israel hat im OECD-Raum mit einem Wert von 300 Milliarden Dollar den höchsten Anteil an Schattenwirtschaft im Verhältnis zum BIP. Der Großteil der ultraorthodoxen und arabischen Bevölkerung lebt in Armut. Und durch kapitalistische Maßnahmen wie den Wirtschaftsplan von 2003 vergrößern sich die sozialen Unterschiede.[180][181]

Nach dem Bericht der Nationalen Sozialversicherung von Dezember 2015 wachsen derzeit 31 % der Kinder Israels in Armut auf. Damit ist in den letzten Jahren eine leichte Verbesserung der Situation eingetreten. Insgesamt gelten jedoch immer noch 22 % der Israelis als arm. Besonders hoch ist die Armutsquote dem Bericht zufolge bei ultraorthodoxen Juden sowie bei der arabischen Minderheit der Palästinenser im Land. Hier liegt sie jeweils bei ca. 50 %.[182]

Ein großes Problem ist die Erwerbsarmut aufgrund der sehr geringen Löhne in vielen Branchen: Trotz einer niedrigen Arbeitslosenquote von nur 3,7 % lebt 2019 ein Fünftel der Israelis unter der Armutsgrenze.[183]“ (wikipedia)

Bis zum Terroranschlag der Hamas am 7. Okt. 2023 dominierten in Israel demokratische und soziale Massenproteste.

der politisch-militärische-Industriekomplex

Israel ist das am meisten militarisierte Land der Welt. Das Militär durchdringt alle Lebensbereiche. Die nichtmarxistische Linke spricht vom Charakter eines Staates im Staat. Von allen bürgerlich-demokratischen Ländern hat Israel den am meisten dominierenden Politisch-Militärischen-Industriekomplex. Die Armee ist mit der Wirtschaft direkt verflochten, verfügt über eigene Unternehmen; viele Generäle wechseln nach der aktiven Dienstzeit in die Politik, stellten in den nicht-religiösen Parteien Minister und Regierungschefs. „Israel lag 2017 auf Platz 1 des Globalen Militarisierungsindex (GMI).[129] Israel gab 2017 knapp 4,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 16,5 Milliarden US-Dollar für seine Streitkräfte aus.[130]“ (wikipedia)

In der israel-kritischen Linken wird Israel überwiegend wegen seiner Expansions-und Besatzungspolitik als imperialistischer Staat betrachtet. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Rolle, die Israel als eigenständiger Akteur in der USA-Strategie im „Nahen Osten“ spielt. Im marxistischen Verständnis, orientiert an der Leninschen Imperialismustheorie, ist Israel ein staatsmonopolistischer Staat und auch in diesem Sinn imperialistisch. Die Expansions- und Unterdrückungspolitik hat seine Ursachen in erster Linie in der zionistischen Gründungsideologie und der Zusammenarbeit mit den USA.

Widersprüchlich sind die Interessen des politischen Zionismus, die Mitte-Rechts-, die Rechts- und jüdisch-religiösen Parteien und andererseits der israelischen Monopolbourgoisie. Letztere drängt auf die regionalen arabischen Märkte und noch mehr auf den globalen Markt. Die Expansions- und Besatzungspolitik führt dabei immer wieder zu Rückschlägen. Israel ist ein besonders ausgeprägtes Beispiel, wie das Primat der Politik sich durchsetzt. Das Problem wird dadurch kompensiert, dass je 1/3 des Außenhandels mit den USA und der EU stattfindet. (bpb 2011) Ein ökonomischer Hintergrund für die „unverbrüchliche und uneingeschränkte Unterstützung“. Seitdem geht dieser Anteil zurück und die VRChina hat sich zum drittgrößten Handelspartner Israels entwickelt. (https://de.statista.com/themen/260/israel/#topicOverview)

  1. Die politische und militärische Verantwortung für die Entwicklung im „Nahen Osten“ liegt in erster Linie bei Israel.

Nach mehreren Kriegen kam es 1994/1995 zwischen der PLO/ der palästinensischen Autonomiebehörde und Israel unter Vermittlung der USA zu einer Vereinbarung zur schrittweisen Schaffung eines Staates Palästina; Unterzeichner Ytzhak Rabin und Jassir Arafat. 6 Wochen nach der Unterzeichnung des Oslo II Abkommens wurde Ytzhak Rabin durch einen „fanatischen“ israelischen Juden ermordet. Anschläge der palästinensischen Gruppen folgten. Im Jahr darauf gewann Netanjahu erstmals die Parlamentswahl. Seitdem wird gegenüber den Palästinensern eine immer schärfere Roll-Back-Politik durchgesetzt. Die israelischen Regierungen torpedieren jeglichen Friedensprozess. Dass eine derartige Lebenssituation bei Palästinenser*innen Verzweiflung auslösen kann, ist aus unserer Sicht nachvollziehbar. Der 7. Oktober 23 ist jedoch keinesfalls eine Verzweiflungstat. Trotz all dem Besatzungsterror, die palästinensische Nationalbewegung kann nicht den Weg der Hamas gehen.

  1. Die Behauptung, Kommunisten in Deutschland würden das Existenzrecht Israels in Frage stellen, ist eine Diffamierung.

Es gibt keine Erklärung aus Konferenzen, Vorstands-Beschlüssen oder Erklärungen verantwortlicher Genossinnen und Genossen, die eine derartige Unterstellung auch nur andeuten.

Allerdings ist die DKP in ihrer Gesamtheit solidarisch mit dem Kampf und Widerstand der palästinensischen Bevölkerung gegen die Besatzung und die Apartheid. Das bedeutet nicht, wie oben formuliert, dass wir jede Aktion, Angriffe auf jüdische Zivilisten billigen. Das ist seit unserer Konstituierung 1968 unsere Politik.

  1. Die Positionen des aktuellen Parteivorstandes der DKP und der DKP Saarland unterscheiden sich.

Die Unterschiede sind deutlich erkennbar. Verallgemeinert relativiert der PV jede Aktion palästinensischer Organisationen als Folge der israelischen Besatzungspolitik. Unbeachtet, nicht berücksichtigt werden die innere Verfasstheit dieser Gruppen und ihre Ziele.

Die DKP hatte bisher Aktionen palästinensischer Gruppen und Einzeltäter im Konkreten beurteilt. Terroristische Aktionen gegen Zivilpersonen und zivile Einrichtungen haben wir immer verurteilt, wie Flugzeugentführungen oder der Anschlag auf die israelischen Sportler bei der Olympiade 1972. Dies entsprach unserem Verständnis von Widerstand, der sich nicht gegen Unbeteiligte und Zivilpersonen richten darf und entsprach unserer grundsätzlichen Ablehnung individuellen Terrors. Derartige Aktionen der Vergangenheit, wie auch das aktuelle Massaker an jüdischen Zivilpersonen, haben international dem Kampf der Palästinenser um Anerkennung stets geschadet.

Solidarisch war die DKP immer bei dem Massen-Widerstand, der Intifada I und II wie beim militärischen Widerstand gegen Besatzungssoldaten.

Diese Differenzierung, die wir DKP Saarland weiterhin vertreten, ist beim Parteivorstand aufgehoben; jegliche Aktion wird relativierend verteidigt.

  1. Das Recht Israels auf Selbstverteidigung legitimiert keine Menschenrechtsverletzungen und keine Kriegsverbrechen.

Dass Israel fortgesetzt Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübte, ist mehrmals von Institutionen der UNO, von Menschenrechtsorganisationen (NGOs) und Wissenschaftler*innen festgestellt, einschließlich jüdisch-israelischen und weiteren jüdischen Organisationen und Persönlichkeiten. Diese Kritik als Antisemitismus zu bezeichnen ist eine politische Diffamierung. Ausgeprägt als Kampfbegriff ist sie in Israel und in Deutschland.

  1. Die Existenz Israels als Staat und Nation ist nicht gefährdet.

Keine palästinensische oder verbündete Organisation ist militärisch in der Lage Israel zu besiegen, nicht einmal wirkungsvoll anzugreifen. Auch keiner der umliegenden arabischen Staaten; diese hatten sich vor den gegenwärtigen israelischen Massakern in der Region Gaza mehr oder weniger arrangiert. Die jüngsten Angriffe aus dem Iran zeigten erneut die massive militärische Überlegenheit Israels.

  1. Der Frieden in der historischen Region Palästina ist möglich, wenn Israel dies will.

Ist die Zwei-Staaten-Lösung tot? Gibt es eine Alternative? Es ist keine erkennbar. Solange die israelischen Regierungen die Zwei-Staaten-Lösung blockieren, solange die israelische Mehrheitsgesellschaft die Palästinenser als Feinde betrachtet, solange die USA und Deutschland dieses Israel bedingungslos unterstützen, wird es keinen Frieden geben.

Die Ereignisse des 7. Oktober 2023 lassen zumindest diese Erkenntnis zu: so wie bisher wird es im „Nahen Osten“ keine Sicherheit für Leib und Leben geben, nicht für die Bevölkerung in Israel, nicht für die Bevölkerung im Gaza-Gebiet, nicht für die Bevölkerung des israelisch besetzten Westjordanlandes, Gebiet unter der eingeschränkten Verwaltung der Palästinensischen Autonomiebehörde.

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