Demo „Nicht mit uns – wir frieren nicht für Eure Profite!“ in Saarbrücken – 1.500 waren dabei

Am 3. Dezember 2022 erlebte Saarbrücken die größte Demonstration sozialen Protestes seit vielen Jahrzehnten. Vor dem Hintergrund der sozialen Schieflage der bisherigen Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung riefen über 60 Organisationen zu dieser Aktion auf. Nahezu alle gesellschaftlichen Organisationen, Gruppen, Sozialverbände haben sich auf einen gemeinsamen Aufruf verständigt. Der Unmut gegenüber der unsozialen Politik der Bundesregierung war größer als der bisherige Organisationsegoismus. Damit ist diesem bundesweit wohl einmaligen Bündnis bereits jetzt ein wichtiger Erfolg gelungen.

Auf der abschließenden Kundgebung sprachen der ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke, die saarländische Fridays for future-Aktivistin Susanne Speicher und der Präsident der Europäischen Linken, Heinz Bierbaum. Große Unterschiede in der Bewertung des Russland-Ukraine-Krieges wurden in den Reden deutlich. Wesentlicher war, dass die RednerInnen von ihrem gesellschaftspolitischen Selbstverständnis ausgehend die Bedeutung eines solchen breiten Bündnisses betonten und die dringende Notwendigkeit vor allem Menschen und Familien mit niedrigen bis mittleren Einkommen viel stärker zu entlasten.

Auch zahlenmäßig sticht die Demo aus den momentan laufenden Aktionen im Bund hervor. Was waren die Erfolgsfaktoren?

Ein entscheidender Punkt war sicher die Konsequenz, mit der der ver.di-Bezirk das Bündnis und die Demo auf die Beine gestellt haben. Trotz anfänglicher Ignoranz von Medienseite und einigen Versuchen, den Aufruf noch nachträglich zu verändern, blieben die Kolleg*innen bei ihrer Linie und dem auf dem ersten Treffen vereinbarten Konsens. Dieses Herangehen ist beispielhaft und zeigt, welche wichtige Rolle Gewerkschaften als die größten Organisationen der Arbeiter*innenbewegung in der momentanen Situation einnehmen können.

Ein zweiter wichtiger Punkt war es, neben dem Konsens den beteiligten Gruppen Raum für ihre eigenen Positionen zu lassen. So wurde der Flyer mit dem Aufruf nur einseitig bedruckt, um auf der anderen Seite Platz für eigene Standpunkte der jeweiligen Organisation zu lassen. So wurden am Ende über 27.000 Flyer in Auftrag gegeben.

Ein dritter Punkt war die konsequente Abgrenzung gegen rechte Kräfte und Verschwörungsideologien. Es ging darum, glaubwürdigen Protest der demokratischen Arbeiter*innen-, Friedens- und Umweltbewegung sowie von Betroffenen auf die Straße zu bringen.

So konnte trotz gewaltiger inhaltlicher Unterschiede zwischen den aufrufenden Gruppen die gemeinsame Sache vorangebracht und der Druck für eine andere Politik in der Krise gestärkt werden.

Die DKP hat sich im Rahmen des linken Bündnisblocks „Genug ist genug“ an der Demonstration beteiligt und im Vorfeld eine landesweite Betriebszeitung mit dem Demoaufruf vor Großbetrieben verteilt. Wir wollten dabei deutlich machen, dass die momentanen Krisen, Kriege, die Klimakatastrophe und die soziale Kälte eine gemeinsame Ursache haben. Deshalb unsere Transparent-Losung: „Zukunft statt Kapitalismus“. Wir können und dieses Profit- und Krisensystem buchstäblich nicht mehr leisten.

Trotz dieses Erfolgs sollten Widersprüche und Schwächen der Demo nicht unter den Teppich gekehrt werden. Die Mobilisierung der Einzelgewerkschaften war höchst unterschiedlich. Insbesondere im Bereich der IG Metall wurde die politische Chance vertan, mit einer solidarischen breit getragenen Aktion auch die Interessen der Belegschaften im Transformationsprozess zu betonen. Die Belegschaften von Ford und anderen saarländischen Betrieben brauchen den gesellschaftlichen Schulterschluss im Kampf um ihre Zukunft. Ein zweiter Schwachpunkt war das Übergehen der ursprünglich vereinbarten Losung kurz vor der Demo. Aus „Nicht mit uns – wir frieren nicht für unsere Profite!“ wurde in den Medien die bundesweite DGB-Losung „Echt gerecht – solidarisch durch die Krise“. Und auch auf dieser Kundgebung wurde deutlich, dass eine konsequente Ablehnung der gigantischen Aufrüstung in den Gewerkschaften derzeit nicht mehrheitsfähig ist. Notwendig ist daher die Fortsetzung eines streitbaren, aber solidarischen Diskussionsprozess innerhalb der Gewerkschaften und zwischen Gewerkschaften und Friedensbewegung. Auch fehlt weiterhin eine breite bundesweite Aktionsorientierung, um mit Massenaktionen und Streiks gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung zu kämpfen. Dies wäre aber eine Voraussetzung, um die kommenden Tarifrunden erfolgreich bestreiten zu können. Da war es gut, dass das Genug-ist-genug-Bündnis mit einem Großtransparent forderte: Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft. Auch wenn die Losung etwas plakativ daherkam, hat sie auf den Kern der Sache aufmerksam gemacht. Nur durch entschlossenen Kampf gegen Kapital und Regierungspolitik lassen sich Verbesserungen durchsetzen.

Daher wird es im Saarland nun darauf ankommen, dieses Bündnis als Aktionseinheit im kommenden Jahr weiter wirksam zu halten – mit neuen Aktionsideen und einer klaren Haltung für die Menschen, die sich diese Politik und dieses System nicht mehr leisten können.

Alle Fotos aus der Bilddokumentation von: Kai Schwerdt

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